Gastbeitrag von Jutta Vogel
Helden und Heldinnen des Alltags
Wenn ich auf die Entwicklungen in unserem Land und auch darüber hinaus blicke, wird mir häufig bange und ich frage mich, wie das alles weitergehen soll.
Die Klimakrise mit ihren Auswirkungen auf die Natur beschäftigt uns schon seit langem und kaum war Corona vorbei (ohne die aktuellen Nachwirkungen zu berücksichtigen), versetzte uns im Februar 2022 das Ausbrechen des Kriegs in der Ukraine in Angst und Schrecken, ließ uns in eine Energiekrise schlittern, mit deren Auswirkungen unsere Wirtschaft immer noch zu kämpfen hat. Mit der Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge verstärkte sich die schon langanhaltende Migration im Land und gleichzeitig wird uns eine immer stärkere Spaltung unserer Gesellschaft bewusst. Diese tritt unter anderem in einer Vielzahl an nicht immer unserer Demokratie geneigten Parteien zutage, was künftig eine stabile Regierungsbildung erschwert oder fast unmöglich machen könnte.
Ganz ehrlich, eigentlich könnte man daran verzweifeln und empfindet große Hilflosigkeit. Eigentlich – denn es gibt auch hoffnungsvolle Entwicklungen. Laut BMI (Bundesministerium des Innern und für Heimat) engagieren sich rund 29 Millionen Menschen, also rund 40 % der Bevölkerung ab 14 Jahren, in unserer Gesellschaft für das Gemeinwohl. Der Anteil der Frauen (39,2 %) und der Männer (40,2%) ist fast gleich und es gibt auch keine nennens-werte Unterschiede zwischen Ostdeutschland (37 %) und Westdeutschland (40,4%). Ein großer Teil unserer Bevölkerung ist sich also darin einig, anderen Mitmenschen zu helfen und sich für die Gesellschaft zu engagieren - sprich, Gutes zu tun und mitanzupacken, wenn es nötig ist. Das macht mir Mut.
Bei den jüngsten Überschwemmungen Anfang Juni in Baden-Württemberg und Südbayern – und auch in unserem Landkreis Lichtenfels - gab es eine Welle der Hilfsbereitschaft unter der Zivilbevölkerung und manche Aktion rührte zu Tränen. Laut BMI werden 90% aller Einsätze von Ehrenamtlichen durchgeführt und so erwies sich die unbezahlte Arbeit der Freiwilligen im Zivil- und Katstrophenschutz wieder einmal als unbezahlbar. Den Mut und die Ausdauer dieser Helfer im mehrtägigen Einsatz kann man nur bewundern.
Doch nicht nur Katastrophen mobilisieren tatkräftige Helfer, auch schöne Ereignisse. Blicken wir auf die gerade zu Ende gegangene Europameisterschaft. Der Europäische Fußballverband hat aus 146.000 (!) Menschen 16.000 Volunteers deutschlandweit ausgewählt, die sich ehrenamtlich einbringen, um ihrer Heimatstadt bei der Organisation zu helfen und die internationalen Gäste willkommen zu heißen und zu begleiten.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, aber ich möchte an dieser Stelle insbesondere Ihr Engagement – liebe Leser und Leserinnen – für die Lebensqualität am Obermain hervorheben. Sie nehmen sich wöchentlich oder gar täglich Zeit, um an Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen, bei der Tafel, im Bereich Migration und vielen weiteren Bereichen zu helfen und sich zu engagieren. Sie bereichern regelmäßig das Leben von Mitbürgern und deshalb sind Sie für mich Helden und Heldinnen des Alltags.
Schlägt man bei Wikipedia nach, so ist "ein Held bzw. eine Heldin eine Person, die eine besondere, außeralltägliche Leistung vollbracht hat. Die heroischen Fähigkeiten können von körperlicher Art (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer) oder auch geistiger Natur sein (Mut, Aufopferungsbereitschaft, Kampf für Ideale oder Tugendhaftigkeit oder Einsatzbereitschaft für Mitmenschen)."
Nun ja, abgesehen von der „außeralltäglichen Leistung“, passt diese Definition doch schon ganz gut, oder? Aber ehrlich gesagt, wenn man sich mit Überzeugung und Ausdauer – ungeachtet dessen, was sonst noch das normale Leben beherrscht – regelmäßig einbringt, dann wird für mich das Alltägliche zum Außergewöhnlichen und somit zum Heldenhaften.
Ich lese weiter und entdecke folgendes:
"Soziologen sehen in Zeiten sozialer Umwälzungen (...) oder nationaler Krisen ein starkes Bedürfnis nach Helden voraus. (..) Helden bilden dann ein bestimmtes Vorbild (...) besonders für die Jugend." Da schließt sich also der Kreis. Die Krisen und damit verbundenen (sozialen) Probleme einerseits und die Helden und Heldinnen oder – weniger pathetisch ausgedrückt - engagierte Menschen andererseits. Als Optimist bin ich der Auffassung, dass wir im alltäglichen Miteinander viel bewegen und so auch unserer Jugend ein Vorbild sein können, ja sogar müssen. Erinnern wir uns daran, dass die Jugendlichen während der Isolation durch Corona viel gelitten haben und Studien zufolge vermehrt an Psychosen und Einsamkeit leiden.
Liebe Helden und Heldinnen des Alltags, schieben wir unsere Hilflosigkeit beiseite und lassen Sie uns diese Herausforderung annehmen. Bereichern wir auch in der Zukunft unser Miteinander mit "alltäglichen Taten", die Orientierung und Perspektive geben und unsere Gesellschaft zusammenführen und nicht weiter spalten!
Mit herzlichen Grüßen
Jutta Vogel
Die Autorin lebt in Marktzeuln, ist verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Bis 2023 unterrichtete sie Französisch und Spanisch am Gymnasium Burgkunstadt.
Bei Gründung unseres Trägers "Bürgerstiftung für Jugend und Familie im Landkreis Lichtenfels" (2006) brachte sie sich finanziell als Stifterin ein. Ehrenamtlich engagiert sie sich schon seit Gründung der Aktiven Bürger (2011) im Organisationsteam und in der Leseförderung an Schulen.